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Rechtes Erwachen: Was der „Trump-Effect“ für den Journalismus bedeutet

Donald Trump macht Rassismus und Islamfeindlichkeit in den USA salonfähig. Was das für die Minderheiten im Land bedeutet, bekommen auch Journalisten aus deren Reihen zu spüren.

von Elisabeth Kagermeier

Schallend tönen „Bau die Mauer!“-Rufe durch die Sporthalle der Andrean Highschool im US-Bundesstaat Indiana. An diesem Tag im Februar 2016 tritt das heimische Basketballteam gegen die Bishop Nolls aus dem Nachbarort an. Statt Fanartikeln der eigenen Mannschaft halten einige Studenten Plakate mit Bildern von Donald Trump in die Höhe. Hier wird mit politischen Mitteln angefeuert: Das gegnerische Team der Bishop Noll besteht größtenteils aus Latinos.

Donald J. Trump is calling for a total and complete shutdown of Muslims entering the United States. – Donald Trump

Ortswechsel, Bundesstaat Virginia. Zwei Drittklässler drohen im März einem Klassenkameraden, dass er als Einwanderer abgeschoben wird, sobald Trump Präsident ist. Beide Schulen bestätigten die Vorfälle. Der Hass der Wahlkampagne wird nachgeahmt – von Kindern wie Erwachsenen. Lee Ivory, amerikanischer Journalist und ehemaliges Vorstandsmitglied der „National Association of Black Journalists“, bezeichnet diese Ausbrüche von Diskriminierung als den „Trump-Effect“. Trumps rassistische und islamfeindliche Rhetorik löse einen Widerhall im ganzen Land aus. Der Hass richtet sich hierbei nicht nur gegen Trumps Lieblingsopfer, die Muslime, sondern sämtliche Minderheiten. Ob „braun, gelb oder schwarz“ – Trump-Anhänger scheren viele Ethnien über einen Kamm, glaubt auch Sunni Khalid, kalifornischer Journalist und Muslim. Die Zahl der Hispanics, Asiaten und Schwarzen im Land steigt, während der Anteil der weißen Bevölkerung schrumpft. Etwa 61 Prozent der Amerikaner waren im Juli 2015 laut dem Volkszählungsbüro der amerikanischen Regierung weiß. Fünf Jahre zuvor waren es noch 63.

„Das ist beunruhigend für Menschen, die Amerika lange für ein weißes, christliches Land gehalten haben“, glaubt Khalid. Viele fühlten sich vor allem von Zuwanderern mit höherer Bildung bedroht, die ihre Chancen verschlechtern könnten – sie dienen oft als Sündenböcke für das Abrutschen der amerikanischen Mittelschicht. Khalid kritisiert, dass Donald Trump genau damit Stimmung macht . Trumps Populismus bietet mit Mauern und Einreiseverboten vermeintlich einfache Lösungen in einer komplexen, globalisierten Welt. Und das erfordere eben auch Feindbilder. Ein Großteil von Trumps Anhängern ist selbst weiß, kleinere Bewegungen wie „Latinos for Trump“ werden selbst im Land spöttisch belächelt.

Einige Medien stützen Trumps Rassismuswelle zusätzlich, glaubt Ivory. Auf dem Nachrichtensender CNN äußerte der Mitarbeiter Harry Houck beispielsweise im Juli, dass Schwarze allgemein einen Hang zur Kriminalität hätten. Dem Sender wird während des aktuellen Wahlkampfs immer wieder vorgeworfen, pro Trump zu berichten. Ivory und Khalid sind sich einig: Der wachsende Alltagsrassismus und die Islamfeindlichkeit machen auch vor Journalisten keinen Halt und erschweren ihre Arbeit. Tina Vasquez, hispanische Reporterin aus L.A., schreibt im „Guardian“ von mehreren Anfeindungen auf offener Straße. So wurde sie beispielsweise beschuldigt, illegal im Land zu sein.

Noch wesentlich härtere Beispiele hat Sunni Khalid parat. Der Afroamerikaner, der 1978 zum Islam konvertierte, berichtet, nach seinem Vorstellungsgespräch beim TIME-Magazin habe die Chefin der Verwaltungsabteilung gesagt: „He’s a Muslim. Aren’t those people dangerous?“ Bei National Public Radio (NPR) ist seine Vorgesetzte laut Khalid davon ausgegangen, dass er im Gefängnis war. Der Grund: Er ist Schwarzer und Muslim – sie schloss daraus, Khalid muss hinter Gittern konvertiert sein. Tatsächlich gibt es immer wieder einzelne Fälle von Insassen, die dem Islam beitreten – eine Regel kann man daraus aber eindeutig nicht ableiten. Die besagte Chefin hat aufgrund ihrer Vorurteile eine Hintergrundprüfung zu ihm eingeleitet, berichtet Khalid. „Das hat meine Persönlichkeitsrechte verletzt“, sagt er.

Viele Zugänge seien ihm als Muslim verweigert worden. So habe ein Mentor ihm verraten, er hätte mehr und früher Aufstiegschancen bekommen, wenn er keinen muslimischen Namen hätte. Der Kollege legte ihm nahe, sich wieder Karl Lee zu nennen, Khalids Geburtsname. Tatsächlich beobachtet Khalid, dass sowohl weiße als auch schwarze Amerikaner aufgrund seines Namens schnell misstrauisch werden – spätestens seit 9/11. Der 57-Jährige ist sich allerdings sicher, dass solche Fälle von Diskriminierungen gegenüber Journalisten durch das Schüren der Angst von Trump nun noch häufiger werden.

When Mexico sends its people, they’re not sending the best. They bring crime. They’re rapists.– Donald Trump

Er tauscht sich mit anderen Muslimen aus der Branche aus, sie sprechen davon, dass sich die Atmosphäre im Land verändert, die Gesellschaft auseinander driftet. “Trumps Wahl zum offiziellen Präsidentschaftskandidaten hat einen Hass gegen sämtliche Minderheiten entzündet, wie ihn das Land seit den 50ern nicht gesehen hat”, berichtet Ivory. Die Journalisten glauben, dass der Hass seit den letzten großen Rassenkonflikten nie verschwunden ist. „Er war unterdrückt, blieb unter der Oberfläche“, sagt Khalid. „Aber Trump hat einen neuen Normalwert etabliert, wie exzessiv Rassismus ausgedrückt wird.“ Der republikanische Präsidentschaftskandidat macht Rassismus also wieder gesellschaftsfähig. Das ermutigt viele Menschen, ihre Vorurteile nun offen zu äußern – die Stimmung schaukelt sich hoch.

„Trump hat persönlich eine Zielscheibe an den Rücken der schwarzen und braunen Bevölkerung angebracht“, wirft Ivory dem republikanischen Kandidaten vor. Das Problem liegt laut Khalid darin, dass die USA nie der „Schmelztiegel“ gewesen sind, als der sie oft bezeichnet werden. „Amerika bestand immer aus verschiedenen Zutaten, die sich selbst erhalten – sie verschmelzen nicht komplett. Es war immer ein Eintopf, keine Suppe.“ Durch mangelndes Vermischen sei Unwissen über andere Kulturkreise nach wie vor ein großes Problem der Vereinigten Staaten. „Sie wissen zu wenig über uns. Wer keinen Kontakt zu Muslimen hat, ist misstrauisch“, sagt er. Hinzu käme eine große Portion Ignoranz und der Unwille, etwas daran zu ändern. Wer an der Ignoranz festhält, macht es sich einfach und muss sich nicht mit komplexeren Problemen befassen.

Diese Haltung beobachtet er besonders gegenüber dem Islam auch im Journalismus immer wieder – ob bei Vorgesetzten oder Kollegen. Dabei könnten muslimische Journalisten beispielsweise über Gewaltausschreitungen gegen muslimische Gemeinschaften mit größerer Sensibilität berichten oder einen besseren Zugang zu den Betroffenen finden. Die Chance, über „Insider-Berichte“ in den Medien auch der breiten Gesellschaft Probleme und Gefühle der Muslime nahezubringen, werde zu selten genutzt. „Um Vorurteile abzubauen, sind muslimische Journalisten aber ein wichtiger Teil der Gesellschaft“, so Khalid.

Einen Abbau von Vorurteilen könnte man sich unter einem Präsidenten Trump abschminken. Anzeichen dafür, was dessen Wahl für den Journalismus bedeutet, sieht Lee Ivory bereits im jetzigen Umgang des Kandidaten mit der Presse. Reporter, mit denen Trump nicht einer Meinung ist, lässt er regelmäßig von seinen Wahlkampfveranstaltungen entfernen. Mehreren Medien, unter anderem der Washington Post, hat er Presseakkreditierungen entzogen und Klagen angedroht.

If black lives matter, then go back to Africa. We’ll see how much they matter there. – Donald Trump

Sunni Khalid überlegt bereits auszuwandern, sollte Trump im November zum Präsidenten gewählt werden – vielleicht zu Freunden nach Namibia oder nach Europa. Nicht, weil er befürchtet, Trump könnte seine Versprechungen umsetzen und tatsächlich Muslime an der Einreise hindern oder eine Mauer zu Mexiko bauen. Diese Aussagen nimmt er nicht ernst. Sorge macht ihm, dass Hass gegen Minderheiten weiter legitimiert wird. Er befürchtet mehr Gewaltausbrüche und Diskriminierungen.  Mehr Rassismus am Arbeitsplatz oder schlechtere Jobperspektiven als muslimischer Journalist – dem will Khalid sich nicht aussetzen. Nur durch seine Worte hat Trump also schon viel angerichtet. Eigene Taten braucht er gar nicht mehr folgen lassen.

lee-ivoryLee Ivory, 57, ist ein ehemaliger Redakteur und Herausgeber bei der nationalen Tageszeitung USA TODAY sowie Vorstandsmitglied der “National Association of Black Journalists”. Er arbeitet als Journalismus-Dozent auf Universitätslevel in Washington, D.C., und schreibt weiterhin Meinungsartikel. Aufgewachsen ist er im Südstaat Arkansas.

 

sunnikhalid1Sunni Khalid, 57, lebt in Alameda in Kalifornien. Nach Stationen bei NPR, Voice of America und mehreren Lokalmedien in Baltimore arbeitet er heute als Radiojournalist bei einem Sender aus San Francisco. Ursprünglich kommt er aus Michigan.

 

 

Elisabeth Kagermeier Elisabeth Kagermeier, 24, besucht zurzeit die Deutsche Journalistenschule und arbeitet als freie Journalistin. Seit sie einige Zeit in den Vereinigten Staaten gelebt hat, sind USA-Themen ihr Steckenpferd. Ihre dortige Lieblingsstadt Washington, D.C., würde auch sie die nächsten vier Jahre nur ungern mit Donald Trump teilen.

 

Dieser Artikel ist ein Beitrag der edition ausland.