Ein Beitrag von Laurent Noichl
Instagram hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Influencer-Paradies entwickelt. Designerklamotten, Luxusreisen oder ein üppiges Frühstücksbuffet vor traumhafter Kulisse: Es gibt nichts, was nicht beworben wird. Früher wurden die vermeintlichen Stars in Fernsehshows wie „Deutschland sucht den Superstar“ oder „Popstars“ geboren. Heute ist das anders. In Zeiten von Facebook, Instagram und Snapchat ist es noch leichter geworden, berühmt zu werden. Diesen Eindruck erwecken zumindest die bunten Instagram-Profile der deutschen Top-Influencer.
Eines von vielen Sternchen am Social-Media-Himmel ist Stefanie Giesinger, früher Kandidatin von „Germany’s next Topmodel“. Mit 2,9 Millionen Abonnenten gehört sie bereits zu den ganz Großen. Auf ihrem Instagram-Account macht sie Werbung für Mercedes-Benz, L’Oreal-Make-Up und viele andere Unternehmen. Für das Topmodel müssen die Marketingexperten dementsprechend tief in die Tasche greifen. Mehrere Tausend Euro pro Post sollen nicht die Ausnahme, sondern die Regel sein. Als Gegenleistung für die üppige Finanzspritze flirtet das Topmodel mit einem charmanten Lächeln mit der Kamera und umarmt eine überdimensionale Zahnpasta. Fast 75.000 Menschen haben das Bild auf Instagram geliked.
In den letzten Jahren hat sich Instagram immer weiter professionalisiert, personalisiert und vor allem monetarisiert. Obwohl die Plattform einmal als eine Art Foto-Tagebuch mit verwackelten Handy-Selfies gestartet ist, gleicht sie heute eher einer nicht endenden Dauerwerbesendung. Heute geht es vor allem um eins: mehr Likes, mehr Follower und damit auch größere Aufträge. Da mit der Zahl der Follower nicht nur die Reichweite ihrer Beiträge steigt, sondern auch ihr Marktwert, helfen einige Influencer nach. Das Kaufen von Followern gehört zu den weniger glamourösen Seiten von Social Media. „Instagram-Fakes sind ein riesiges Thema. Bei Followern, unzähligen Likes und sogar Kommentaren wird getrickst, was das Zeug hält. Auch ich frisiere meine Zahlen gewaltig“, gestand die Bloggerin Vreni Frost kürzlich in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung.
Kann ein Post, der bis ins letzte Detail konstruiert wurde, überhaupt authentisch sein? Eigentlich nicht. Trotzdem: „Die Leute wollen echten Content“, sagt Johannes Schmidbauer von Studio71, eine Agentur, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Influencer und Marken zu vernetzen. Diesem Credo folgt auch die Fashion-Bloggerin Caro Daur: „Ich versuche einfach bei all dem, was ich mache und poste, authentisch zu bleiben“, sagte die 22-Jährige dem Manager Magazin. Mit Erfolg: Heute arbeitet sie für Dior, Cartier, Tommy Hilfiger oder Marco Polo.
Vor allem Millennials vertrauen Influencern
Es ist allerdings ein schmaler Grad zwischen den ehrlich gemeinten Empfehlungen und künstlich konstruierten Werbebotschaften. Die Drogeriekette dm hat beispielsweise zusammen mit der Beauty-Youtuberin „BibisBeautyPalace“ einen Duschschaum herausgebracht. Der soll „unfassbar lecker nach frisch gebackenem Donut“ riechen. Welche Summe die Youtuberin für die Kooperation erhält, darüber kann man nur spekulieren.
Wie groß der Einfluss von Influencern mittlerweile ist, zeigt eine Studie von Twitter, die zusammen mit Annalect durchgeführt wurde. Demnach vertraut rund die Hälfte der Twitter-User Influencern bei Produktempfehlungen. Bei Millennials ist der Wert um fast 50 Prozent größer als bei der älteren Vergleichsgruppe. Influencer-Marketing ist also ein mächtiges Tool für Firmen, die junge Zielgruppe anzusprechen. Deswegen werden immer größere Summen aus dem Marketing-Budget in Influencer-Kampagnen gesteckt. „Die Unternehmen werden absehbar 10 bis 15 Prozent ihrer digitalen Werbebudgets in Influencer-Marketing investieren“, sagte BuzzBird-Gründer Felix Hummel bei den Münchner Medientagen. Sein Unternehmen hat es sich zur Aufgabe gemacht, Marken mit Influencern zu verbinden. Die Liste der Kunden ist lang: Gillette, Tchibo, Fressnapf, dm, die Sparkasse und viele andere.
Da im Instagram-Feed zwischen privaten, authentischen Fotos immer mehr gesponserte Posts auftauchen, fällt die Unterscheidung von Werbung und normalen Posts schwer. Deswegen muss jede bezahlte Kooperation laut Telemediengesetz gekennzeichnet werden. Trotzdem gibt es viele, die es damit nicht so genau nehmen. Instagram hat deshalb schon länger mit mangelnder Transparenz zu kämpfen.
Werbung integrieren statt Inhalte unterbrechen
Digitalisierungsexperte Ibrahim Evsan sieht trotzdem großes Potenzial in gesponserten Posts: „Wenn wir Influencer-Marketing mit einer Weltreise vergleichen, stehen wir gerade am Flughafen“, sagte er bei den Medientagen. Es ist die Ankündigung einer weiteren tektonischen Verschiebung im Marketing-Business. Weg von der klassischen Fernsehwerbung hin zu personalisierten und individualisierten Werbebotschaften. „Mit tradierten Werbeformen wird es immer schwieriger, Zielgruppen zu erreichen. Unterbrecherwerbung wird als störend empfunden, die Menschen wollen das nicht“, sagt Andreas Türck, ebenfalls Gründer von BuzzBird. Laut ihm ist der Trend eindeutig: Werbung integrieren, nicht Inhalte damit unterbrechen. Viele Firmen haben hier noch Nachholbedarf. Ihnen fehlt das Know-How, um erfolgreiche Kampagnen auf Social Media zu starten. Deswegen delegieren viele die Erarbeitung eines Marketing-Konzepts an Plattformen wie BuzzBird – oder direkt an die Influencer.
Auch wenn die digitalen Meinungsmacher omnipräsent scheinen, ein Allheilmittel sind sie nicht. Yashar Azad, Konzernsprecher der Siemens AG, beispielsweise äußerte bei den Medientagen seine Skepsis gegenüber dem Influencer-Marketing: „Wenn 350.000 Mitarbeiter gut über das Unternehmen reden, ist das mehr, als jeder Influencer erreichen kann.“ Außerdem sei es nicht authentisch, wenn ein Fashion-Blogger vor einer Windturbine posiert.
Dieser Beitrag entstand im Rahmen unseres Online-Workshops zum Thema „Vertrauen und Medien“ bei den Münchner Medientagen 2017. Bei dem Workshop lernten die Teilnehmer, wie man soziale Medien als Quellen nutzt und Informationen von dort verifiziert, wie man gute (Bewegt-)Bilder erstellt und wie man Inhalte am besten in den sozialen Medien verbreitet.